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Das Jahresmagazin von Innosuisse 2023

Themenbeitrag

Internationale Zusammenarbeit

Innovative Geschäftsideen auf drei Kontinenten

In Entwicklungsländern gibt es viele Start-ups mit inspirierenden Ideen. Mit Seedstars knüpft Alisée de Tonnac die notwendigen Verbindungen ins Ausland, um vielversprechende Geschäftsmodelle ins Rollen zu bringen. Bis Ende 2023 war sie Mitglied des Innovationsrats von Innosuisse. Sie schildert drei besonders eindrückliche Unternehmergeschichten und gibt Empfehlungen, was Schweizer Unternehmerinnen und Unternehmer davon lernen könnten.

Alisée de Tonnac

Alisée de Tonnac ist Mitbegründerin von Seedstars und macht sich auf die Suche nach den vielversprechendsten Start-ups in den Schwellenländern für einen internationalen Wettbewerb, der jedes Jahr in Lausanne stattfindet. Das Unternehmen hat seither seine Aktivitäten auf Risikokapital ausgedehnt und weltweit über 100 Investitionen in Start-ups getätigt und über die Plattform Seedstars die Fondsmanager von aufstrebenden Fonds unterstützt. Ausserdem arbeitet sie mit Regierungen und Entwicklungsagenturen zusammen, um Seedstars-Programme zur Stärkung der unternehmerischen Fähigkeiten durchzuführen und so das Wirtschaftswachstum zu fördern. Zwischen 2018 und 2023 war Alisée de Tonnac Mitglied des Innovationsrates von Innosuisse, dessen Hauptaufgabe darin besteht, Förderanträge zu bewerten und darüber zu entscheiden.

Indonesien: Tech im Dienste einer traditionellen Tätigkeit

«Als wir Gibran Huzaifah 2013 kennenlernten, hatte er eine Idee: den Einsatz von Technologie auf seiner Fischfarm in Indonesien, dem zweitgrössten Aquakulturmarkt der Welt. Durch die Nutzung des Internets der Dinge (IoT) ermöglicht sein System die Automatisierung der Fütterung von Fischen und Crevetten in Zuchtbetrieben – eine Aufgabe, die bisher manuell durchgeführt wurde und bis zu 80% der Produktionskosten verursachte. In dem Land mit einer Bevölkerung von über 270 Millionen, in dem Arbeitskräfte billig sind, steht Gibran vor einer enormen Herausforderung: Die Menschen davon zu überzeugen, dass neue Technologien die Tätigkeit produktiver und rentabler machen. Die Unterstützung durch ein starkes Netzwerk von Fachkolleginnen und -kollegen, die Beratung und die erhöhte Visibilität sowie die Glaubwürdigkeit, die durch die ersten Partnerschaften erzielt wurde, waren Schlüsselelemente für den erfolgreichen Weg des Start-ups. Zehn Jahre später wird eFishery mit über einer Milliarde US-Dollar bewertet und hat gerade 200 Millionen von namhaften Investoren wie Temasek und Softbank beschafft.»

Ruanda: Eine Krankenversicherung für die Mittelschicht

«Ruanda ist zwar klein, was die Grösse seines Binnenmarktes angeht, aber dennoch ein pulsierendes Ökosystem, das für Start-ups das Tor zum afrikanischen Kontinent darstellt. Dank öffentlicher Investitionen, vor allem in die digitale Infrastruktur und ins Bildungswesen, ist dort eine Talentpipeline entstanden, die sich als fruchtbar erweist und mit der Dynamik von Ländern wie Kenia oder Südafrika gleichzieht.

«In Afrika wächst die Mittelschicht und mit ihr der Bedarf an einer effizienten, erschwinglichen und zuverlässigen Krankenversicherung. Das ist die Mission von Eden Care.»

Die ehrgeizigen Ziele dieser ruandischen Start-ups reichen sehr schnell über die Landesgrenzen hinaus und im Rahmen zahlreicher thematischer Gipfeltreffen, die dem Unternehmertum gewidmet sind, kommen die Menschen auf dem Kontinent zusammen, ähnlich wie in Europa. In Kigali trafen wir Moses Mukundi zum ersten Mal. Der Kenianer hat dort 2021 Eden Care eingeführt, eine digitale Krankenversicherung, die künstliche Intelligenz nutzt, um eine Branche zu revolutionieren, die dringend Veränderungen benötigt. Die Ziele von Moses Mukundi: Hunderten Millionen Menschen in Afrika Zugang zu einer bezahlbaren Versicherung verschaffen.»

Mexiko: Erleichterung des Zugangs zu Rechtsberatung

«In Mexiko traut sich weniger als einer von zehn Menschen, eine Rechtsberatung zu beanspruchen, hauptsächlich wegen der entstehenden Kosten. Das war der Antrieb für die Brüder Emiliano und Julián Ruiz, im Jahr 2020 ConfiAbogado – eine Art virtuellen Rechtsassistenten – zu gründen. Die Zielgruppe des Dienstes sind Menschen mit niedrigem und mittlerem Einkommen, die regelmässig mit Rechtsstreitigkeiten konfrontiert und oft von der Rechtsberatung ausgeschlossen sind, die in Lateinamerika eher ein Privileg wohlhabender Menschen oder grosser Unternehmen ist. Auf einer Online-Plattform beschreibt die Nutzerin oder der Nutzer das Problem, dann greift das System auf ein Netzwerk von zertifizierten Anwälten zurück und durchforstet über 100'000 Möglichkeiten, um die beste Strategie vorzuschlagen und automatisch die passenden Rechtsdokumente zu generieren. Dieses Start-up weist ein hohes Beschleunigungspotenzial auf und veranschaulicht auch die Innovationskraft einer Weltregion, die lange Zeit in Bezug auf Investitionen ein Geheimtipp der USA war. Aber das ändert sich allmählich, während Europa seinen Blick auf den südamerikanischen Kontinent richtet und umgekehrt».

Meine drei Ratschläge für Schweizer Unternehmerinnen und Unternehmer

  1. Das unternehmerische Abenteuer muss nicht unbedingt einsam sein. Besuchen Sie Hubs, um sich mit denjenigen auszutauschen, die den turbulenten Alltag von Unternehmern teilen.
  2. Versuchen Sie Ihr Glück in Inkubatoren, nicht nur wegen der Unterstützung, sondern auch wegen der Visibilität Ihrer Aktivitäten durch die Medienpräsenz, die bei der Gewinnung von Talenten und Investoren hilfreich ist.
  3. Denken Sie in grossen Massstäben: Ihre Technologie muss in grossem Massstab einsetzbar sein und Grenzen überschreiten können.