Ein Traditionsunternehmen stellt den Regler auf Innovation
Wenn Annette Heimlicher spricht, hört man ihr die charismatische, dynamische Chefin eines global tätigen Technologieunternehmens gut an: Sie sprudelt, packt komplexe Zusammenhänge in einfache Worte, lacht. Heimlicher hat sich ihren jugendlichen Charme bewahrt. Vor gut zehn Jahren, mit gerade einmal 35, löste sie ihren Vater an der Spitze von Contrinex, einem Hersteller intelligenter Industriesensoren, ab. Seither treibt sie den innovativen Freiburger Familienbetrieb voran.
«Der neue Sensor ist der Auftakt einer komplett neuen Geschäftseinheit.»
Annette Heimlicher
CEO Contrinex
Ganz anders als ihr Vater
Die Firmenübernahme machte Heimlicher auf einen Schlag zur Chefin von rund 500 Mitarbeitenden. Dank Wirtschaftsabschlüssen an der Universität Genf und der London School of Economics war sie ideal darauf vorbereitet. «Zudem hatte ich vor der Übernahme bereits sechs Jahre in verschiedenen Abteilungen bei Contrinex gearbeitet», sagt die heute 46-Jährige. Eine Unternehmensnachfolge wie im Bilderbuch?
Heimlicher relativiert: «Die ersten zwei Jahre als CEO waren schwierig», erinnert sie sich. An die direkte, manchmal schon forsche Art der neuen Chefin mussten sich die Mitarbeitenden erst gewöhnen. «Ich habe eine ganz andere Persönlichkeit als mein Vater», sagt Heimlicher. Ebenfalls neu war ihr Führungsstil: «Als junge Person konnte ich den Leuten nicht sagen, was zu tun ist. Dafür fehlte mir die Erfahrung.» Ihr Ansatz: partizipatives Management statt Führung «top down».
In zwölf Ländern präsent
An der strategischen Ausrichtung von Contrinex änderte die Unternehmerin hingegen wenig: «Ich trieb die Internationalisierung im Sinne meines Vaters voran.» Heute ist Contrinex in zwölf Ländern präsent. In den letzten fünf Jahren fokussierte sich die Chefin verstärkt auf die USA als Kernmarkt. «Dort wächst das Interesse an High-Tech-Sensorik aktuell stark, vor allem im Robotikbereich.»
Um weiter in den US-Markt vorzudringen, muss das 50-jährige Familienunternehmen vor allem eines bieten: Innovation. Am Hauptsitz in Corminboeuf treiben denn auch 25 Ingenieurinnen und Ingenieure neue Ideen voran.
Ein Problem löst sich von selbst
Die neuste Schöpfung aus dem Hause Contrinex: ein intelligenter Sensor mit integrierter Objekterkennung. «Damit lässt sich die Qualitätskontrolle in der industriellen Fertigung kosteneffizient automatisieren», erklärt CTO Laurent Genilloud. In einer Schokoladenfabrik «sieht» der Sensor zum Beispiel, ob alle Pralinen richtig in den Vertiefungen der Schachtel sitzen, und zwar in 3D. Eine bahnbrechende Innovation: «Früher mussten die Bilder, die von optischen 2D-Sensoren aufgenommen wurden, an externe Computer gesendet werden, um sie zu analysieren. Dafür brauchte es spezielle Software. Das war komplizierter und teurer.»
Genilloud trug die Idee der integrierten Objekterkennung bereits länger mit sich herum. Doch er wusste: «Der nötige Algorithmus geht über unsere Expertise hinaus.» Der CTO staunte nicht schlecht, als im November 2020 sein Telefon klingelte und ihm der Einstieg in ein Innovationsprojekt angeboten wurde, das genau einen solchen Sensor zum Ziel hatte. «Innosuisse hatte seine Unterstützung bereits zugesagt und die Hochschule Luzern war als Projektpartnerin mit an Bord. Doch der ursprüngliche Industriebetrieb war abgesprungen», kann Genilloud es noch immer kaum glauben. Contrinex übernahm und entwickelte die Hardware – die Hochschule Luzern schrieb den Algorithmus.
«Dank dem neuen Produkt schaffen wir mehrere neue Stellen.»
Neuer Sensor, neues Standbein
Die Innovation rechnet sich für Contrinex: «Bis 2030 erwarten wir eine signifikante Umsatzsteigerung», sagt Annette Heimlicher. Zudem schafft das Unternehmen mehrere neue Stellen für Ingenieure, Produktmanagerinnen und spezialisierte Vertriebspersonen. «Der neue 3D-Sensor ist der Auftakt einer komplett neuen Geschäftseinheit», verrät die CEO. Details will sie noch keine preisgeben, nur so viel: «Die erste kleine Schwester des Sensors wird nicht in automatisierten Produktionslinien, sondern in Roboterarmen zum Einsatz kommen.» Für die neue Abteilung wurden in Corminboeuf ganze 100 Quadratmeter reserviert.
Während der Aufbau der neuen Geschäftseinheit auf Hochtouren läuft, hat Contrinex mit Unterstützung von Innosuisse bereits das nächste Innovationsprojekt angestossen: Gemeinsam mit der Hochschule für Technik und Architektur in Freiburg entwickelt das Unternehmen Sensoren, die präzise Informationen über ihre Umgebung liefern und so die Steuerung von Maschinen, Robotik oder Automationsanlagen verbessern.
Wer jetzt aber denkt, bei Contrinex jage eine Neuentwicklung die andere, liegt falsch. «Innovationen sind wichtig, ja. Aber die sorgfältige, konsequente Umsetzung ist es mindestens genauso», formuliert Heimlicher ein für sie zentrales Credo. «Als Chefin eines erfolgreichen Technologiekonzerns muss ich ständig den Regler stellen: zwischen Innovation und Vermarktung.»
Unterstützung durch Innosuisse
- 1 laufendes Innovationsprojekt mit der Hochschule für Technik und Architektur Freiburg (HTA-FR)
- 1 abgeschlossenes Innovationsprojekte mit der Hochschule Luzern (HSLU)